Ortsvorsteher Leudersdorf:
Herbert Carl
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„Asche“

der Kurzkrimi von Andrea Revers sorgte für kriminelles Lokalkolorit beim Sommerfest der Leudersdorfer Feuerwehr 2023. Hier zum Nachlesen!

Gemütlich saß man im kleinen Wacholderstübchen zusammen, doch bei aller Gemütlichkeit war die Stimmung gedrückt. „Wollt ihr noch ´n Weizenbier?“ Rolf stand auf und ging zum Kühlschrank.

Jürgen nickte gedankenvoll und trank den letzten Schluck aus seinem Glas. Was sollte man sonst auch tun? Das Ganze konnte man sich nur schönsaufen. Wie man es auch drehte und wendete – die Situation war verzwickt. Zwar hatte nach vielem Ringen die Verbandsgemeinde das neue Fahrzeug bewilligt, doch als der rote TSF-W, der ganze Stolz der Leudersdorfer Freiwilligen Feuerwehr, endlich auf dem Hof stand, bekam die Freude einen deutlichen Dämpfer.

„Fortuna lächelt, doch sie mag nur ungern voll beglücken. Schenkt sie uns einen Sommertag, so schenkt sie uns auch Mücken.“

„Schön gesagt! Ist das von dir?“ Rolf trat zum Tisch und schob Pille und Jürgen zwei bereits geöffnete Flaschen hin.

Pille griff frustriert zum Kaltgetränk. „Nee, von Busch Willem. Vielleicht sollten wir mal Lotto spielen…“

„Da kannst du dein Geld auch gleich in de Kollan spülen,“ unkte Jürgen.

„Dann doch lieber innen Puff.“ Rolf blickte sich vorsichtig um; nicht, dass jemand diese Aussage in den falschen Hals bekam.

Einige Stunden und viele Weizenbiere später war das Problem der akuten Geldnot immer noch nicht gelöst. Doch plötzlich war der Gedanke im Raum. Später konnte sich niemand daran erinnern, wer zuerst den Vorschlag gemacht hatte. Eigentlich war es eine Schnapsidee gewesen. Doch wenn in vino veritas lag, dann doch sicher auch in Weizenbier. Man hatte beschlossen, eine Bank auszurauben. Sah man doch ständig in den Nachrichten und las darüber in der Zeitung - immer wieder wurden Bankautomaten gesprengt und Tausende Euros erbeutet. Was diese dämlichen Holländer konnten, sollte für die Profis der Freiwilligen Feuerwehr doch kein Problem sein. Zudem wäre ihr Alibi wasserdicht, denn wer, wenn nicht sie, wäre zuerst am Tatort? Der Bankautomat in Üxheim sollte dran glauben. Sie würden ihn sprengen und während der Löscharbeiten das Geld entwenden. Ganz simpel! Anschließend konnte man immer noch behaupten, ein holländisches Fahrzeug hätte sich schnell vom Acker gemacht, als die Feuerwehr anrückte. Hatte keiner gehört? Klar, war ein geräuschloser Tesla gewesen. Sollte ihnen erst mal jemand das Gegenteil beweisen.

Rolf würde den Sprengstoff bei der Wotan abzweigen.

Es gab nur ein Problem: Wenn der Geldautomat geknackt wurde, wäre eigentlich die Üxheimer Feuerwehr zuständig. Also musste man einen Tag abpassen, wo die Üxheimer Kollegen garantiert außer Gefecht gesetzt waren – das jährliche Feuerwehr-Sommerfest. Bei dieser Gelegenheit bot man stets kollegiale Hilfe an, damit die Jungs ungestört feiern konnten. Natürlich würden die auch ausrücken, wenn die Volksbank brannte, aber man brauchte ja bloß einen kleinen Vorsprung…

Am Tag X war es soweit. Jürgen würde die Sprengung durchführen, sich anschließend flott in die Uniform stürzen und unter die Retter mischen. Als ehemaliger stellvertretender Wehrführer besaß er die nötigen einsatztaktischen Kenntnisse und würde nicht die Nerven verlieren. Die eingeweihten Jungs von der Feuerwehr standen „Gewehr bei Fuß“ – sie hatten sich zum Bereitschaftsdienst einteilen lassen und lungerten um das Feuerwehrhaus herum, damit sie die Ersten am Brandherd sein würden. Eine leere Sporttasche fürs Bargeld hatte man bereits im Feuerwehrauto deponiert.

Jürgen fingerte an dem Bankautomaten herum. Dank Youtube-Universität hatte er einen recht genauen Plan, was zu tun war. Er war schon bei den letzten Handgriffen – langsam wurde es brenzlig -, als plötzlich aus Richtung Leudersdorf die Sirene ertönte. Was war das jetzt? Hatte da jemand die Nerven verloren? Das brachte doch den ganzen Zeitplan durcheinander. Er wurde hektisch. Jetzt ging auch die Sirene in Üxheim los. Aufgeregt wollte er auf seinem Handy den A-Pager checken. Er holte es gerade aus seiner Hosentasche, als es auch schon zu vibrieren begann. „Brand Schreiner Gilles.“

Jürgen stöhnte auf. Das war ein ganz großes Ding. Da würden alle Wehren aus dem Umkreis anrücken, die Jungs und Mädels vollgepumpt mit Adrenalin. Schnell wählte er Pilles Nummer. „Und jetzt?“

„Behal de Nerve un pack ein. Wir können doch die Nachbarn nicht im Stich lassen. Wenn du jetzt noch die Bank hochgehen lässt, haben wir nicht genug Leute. Und die Üxheimer halten jetzt wahrscheinlich schon alle den Kopf unter den Wasserhahn, um nüchtern zu werden.“

Es dauerte nicht lange, da standen zwei komplette Löschzüge vor der Schreinerei im Rosenweg, doch von Feuer war weit und breit nichts zu sehen. „Da hol mich doch der Deubel, wenn das ein falscher Alarm war!“ Der junge Wehrführer Michael Simon blickte erbost in die Runde. Aus der Werkstatt kam auch schon Peter Gilles herangeeilt. „Was wollt ihr denn hier? Hat euch etwa der Rommeleit angerufen? Ich habe doch bloß die Hackschnitzelheizung hochgefahren. Da ist nur etwas Rauch auf die Terrasse gezogen.“ Er deutete auf die gut bevölkerte Dachterrasse, wo das feiernde Volk mit großem Interesse die Anfahrt der Feuerwehr beobachtet hatte.

„Boah, da könnt ich Kotzen. Dem sag ich Bescheid.“ Clemens schob sich durch die Kollegen und stampfte zornig die Treppe hinauf zur Dachterrasse, gefolgt von einigen Üxheimer Kollegen. Von unten hörte man laute Stimmen. Clemens´ Gebrüll war vermutlich noch in Nohn zu hören.

„Ich habe noch versucht, den Einsatz abzublasen. Der Typ hat sich noch nicht mal bei mir erkundigt, was los ist. Als ich die Sirene hörte, dachte ich mir schon, dass der Spinner dahintersteckt.“ Peter Gilles war ganz außer sich.

„Abfahrt!“, wies der Wehrführer von Üxheim an und auch die Leudersdorfer sammelten sich beim Wagen. „Wenn dem das nicht in Rechnung gestellt wird, dann mache ich richtig Ärger. Das ist eine Frechheit vor dem Herren.“ Bernhard  konnte sich überhaupt nicht beruhigen. „Scheiß Städter,“ schob Clemens hinterher, der inzwischen wieder bei der Gruppe eingetroffen war, aber immer noch vor sich hin köchelte.

Albert nickte bestätigend. „Ebend!“

„Jetzt lasst es gut sein. Wir sollten uns lieber freuen, dass es nicht brennt.“ Michael mässigte die Kollegen. „Los, Abmarsch. Wir machen Feierabend. Ich fahre jetzt nach Üxheim und gönne mir ein Bier.“

„Cool!“ nickte Heino. Er konnte es kaum erwarten, seine Uniform wieder gegen seine orangene Warnhose einzutauschen.

Jürgen wechselte mit Pille und Rolf einen Blick und hob die Augenbrauen. Rolf nickte nur und wandte sich dann ab. Man würde sich im Wacholderstübchen treffen.

Wenig später hatten die Männer jeder ein kühles Getränk vor sich. Die Tasche mit dem Sprengstoff lag unter der Bank.

„Ich weiß jetzt nicht, ob das so eine gute Idee ist,“ Pille fühlte sich sichtlich unwohl auf seinem Platz und linste besorgt nach unten.

„Behal de Nerve!“ grinste Rolf ihn an, obwohl ihm eigentlich nicht nach Grinsen war. Ihr schöner Plan war gescheitert. „Den neuen Mannschaftstransportwagen können wir auf jeden Fall erstmal knicken. Selbst wenn wir den gebraucht kaufen, kostet der mindestens 18 Tausend Ocken. Woher nehmen, wenn nicht stehlen?“

Jürgen kratzte sich am Schädel. „Sollen wir es nächstes Jahr wieder probieren – beim nächsten Sommerfest?“

„Und wie sollen wir bis dahin die neue Hochwasserpumpe zum Einsatz fahren?“ Pille runzelte die Stirn. Er war immer noch stocksauer. „Die passt doch nicht ins neue Fahrzeug. Wir haben nicht mal genug Asche für eine Anhängerkupplung! Es ist doch zu dämlich, dass die Verbandsgemeinde die Beschaffung verpennt hat!“ Wehmütig dachte er an die Einweihung des TSF-W zurück. „Es ist ein Mädchen,“ hatte jemand gelästert. „Der Pimmel fehlt!“ Da erst hatte die Mannschaft frustriert registriert, dass man an der Anhängerkupplung gespart hatte.

„Ich hätte da eine Idee!“ Rolf grinste. „Heutzutage quatschen doch alle von Lastenfahrrädern. Wir hängen die Pumpe einfach bei Clem ans Mountainbike! De is noch jot op de Flüre un haalt sech en de Jäng.“

„Stimmt, der hat doch sonst nichts zu tun und fährt ständig die Berge rauf und runter. Training mit leichtem Gewicht - da tun wir sogar noch was für seine Fitness.“ Jürgens Augen leuchteten auf. Er hob sein Glas. „Freiwillige Feuerwehr – wir machen´s ohne Geld!“

Man prostete sich zu. Die Feuerwehrmänner wussten, wie man einen Brand löscht und leerten die Gläser in einem Zug.

„Bevor wir keine Asche sehen, werden wir nicht nach Hause gehen,“ korrigierte Rolf. „Noch einen Scheidebecher?“


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